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  • Writer's pictureMarion Marquardt

Auf den Spuren des Jaguars - unterwegs im tiefsten Dschungel des Pantanal

Updated: Nov 29, 2022

Beto unser Bootsführer wirkt jetzt sichtlich nervös. Der Mann, für den die Jaguare zur täglichen Routine geworden sind, hat unser Boot möglichst tief ins Schilf manövriert, um uns beste Sicht auf die stattliche Jaguar Dame zu ermöglichen. Jetzt lässt er hastig den Motor an, jeder Zeit bereit, die Flucht anzutreten. Der Jaguar ist mittlerweile fast schon auf Sprungdistanz herangekommen.....


Auf Jaguarsuche mit dem Boot in der weitläufigen Flusslandschaft des Pantanals - gute Augen, Glück und Geduld sind gefragt
Camping unter Mangobäumen und Bananenstauden - ein grünes Paradies erwartet uns
Millionen Moskitos, Schlangen auf der Straße und Frösche im Bad - das Dschungelcamp ist real
Der Raubkatze so nah - der König des Pantanals lässt sich von uns nicht beim Chillen stören

Was muss man tun, um Jaguare in freier Wildbahn zu sehen? Vor allem, viel Geduld haben. Wir sind seit einiger Zeit im Pantanal (>>> siehe unser letzter Blog) und haben schon so viele unterschiedliche Tierarten gesehen, jetzt fehlt noch der König des Pantanals, der Jaguar. Im brasilianischen Pantanal gibt es eine Population von rund 4.000 Stück, allerdings verteilt auf 195.000 km² - eine Fläche fast halb so groß wie Deutschland. Aber dennoch, nirgendwo gibt es eine derart hohe Dichte an Jaguaren. Also gibt es auch realistische Chancen zumindest eine der Raubkatzen zu finden.


Am späten Nachmittag treffen wir in Porto Jofre, dem Ausgangspunkt unserer Jaguar Tour, ein. Der Campingplatz liegt malerisch am Ufer des Rio Sao Lourenço, inmitten vom Dschungel. Wir können vor unserer Autotür Mangos und Papayas ernten. Ein paar Hyazinth Aras tummeln sich im Baum nebenan. Wir fühlen uns wie im Paradies. Das einzige, was nicht ganz dazu passt, sind die lästigen Moskitos, die man vor allem nach Einbruch der Dunkelheit kaum noch von sich fernhalten kann. Und die Frösche, die sich gerne im Nassen aufhalten. So kommt es schon mal vor, dass einem ein Exemplar aus der Kloschlüssel entgegenspringt. Also Augen auf vor dem Geschäft :-)


Campingplatz in Porto Jofre unter einem Mango Baum Pocone Jaguar Tour Pantanal Safari Leopard Brasilien Highlights
Campingplatz in Porto Jofre unter einem Mango Baum


In Porto Jofre gibt es etliche Anbieter, die im Großen und Ganzen ein ähnliches Leistungspaket für Jaguar Touren anbieten, sich aber im Preis deutlich unterscheiden. Je nachdem, ob die Sitze im Boot bequemer oder Gimbals (Stabilisatoren) für die Kameras fest installiert sind, vieles hängt aber auch vom Anbieter und denen, die mitverdienen, ab. Wir haben uns für ein kleines Boot ohne englischsprachigem Guide entschieden und direkt vor Ort am Campingplatz gegenüber der Bootrampe gebucht. Beto ist unser Bootsfahrer. Um 7 Uhr geht es los und wir rasen erstmal mit einem Affenzahn den Rio Sao Lourenço entlang. So werden wir wohl keine wilden Tiere sehen. Immerhin ist Beto über Funk mit anderen Booten verbunden.


Nach ein paar Fehlversuchen, treffen wir tatsächlich nach bereits einer Stunde an einem Nebenfluss auf einen Jaguar. Wir können es kaum glauben. Gerade mal 10 m Luftlinie von uns entfernt, hängt er auf einem Ast und genießt die Aussicht. Es ist übrigens eine Dame, Patrizia, wie wir später erfahren. Die Jaguare hier im Gebiet werden nämlich von unterschiedlichen Projekten, z.B. dem Jaguar Identification Project, erfasst und anhand des Fleckenmusters identifiziert. Es ist so individuell wie unser Fingerabdruck.



Porto Jofre Pocone Jaguar Tour Pantanal Safari Leopard Brasilien Highlights
Patrizia lässt es hier noch eher gemütlich angehen

Wenig später - Beto unser Bootsführer wirkt jetzt sichtlich nervös. Der Mann, für den die Jaguare zur täglichen Routine geworden sind, hat unser Boot möglichst tief ins Schilf manövriert, um uns beste Sicht auf die stattliche Jaguar Dame zu ermöglichen. Jetzt lässt er hastig den Motor an, jederzeit bereit die Flucht anzutreten. Patrizia ist fast schon auf Sprungdistanz herangekommen, da ergreifen wir sicherheitshalber die Flucht. Obwohl Angriffe von Jaguaren auf Menschen selten sind, gehen wir auf Nummer sicher und wahren Abstand. Ich denke mir, nur gut so - ich will nämlich nie wieder ein Erlebnis wie in Alaska haben. Siehe unsere Begegnung mit einem Grizzly >>>


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Gefährlich Nahe

Nach einer Weile wechselt die Jaguar Dame den Platz, streckt sich etwas und wandert dann auf den nächsten Baum. Von dort aus ist sie kaum mehr zu sehen. Aber schon geht es weiter mit dem Boot. Zwei weitere Jaguare, Brüder, wurden nicht weit von ihr gesichtet. Man kann die Stellen immer schon erahnen. Denn wir sind natürlich nicht die einzigen, die hier unterwegs sind. Im Gegenteil, rund 20 Boote sind meist zugegen, wo es Jaguare zu sehen gibt. Einige mit nur ein bis zwei Personen, andere mit bis zu 15 Personen an Bord. Leider scheint auch nicht für alle Passagiere die Tierbeobachtung und Photographie im Vordergrund zu stehen. Man sieht immer wieder Boote mit angetrunkenen Touristen, die sich ein Bier nach dem anderen reinziehen. Die Geräuschkulisse ist dann auch entsprechend. Für so ein Verhalten haben wir ehrlich gesagt null Verständnis.


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Junger Jaguar auf dem Weg ins Wasser


Am Rio Sao Lourenço sind die Jaguare mittlerweile an Motorboote mit Touristen gewöhnt; sie lassen sie bis auf wenige Meter herankommen. Die größte Raubkatze Südamerikas, die bis zu 160 kg wiegen kann, steht hier im Pantanal am Ende der Nahrungskette und muss sich nicht verstecken. Es sei denn, sie geht auf Pirsch. Der Jaguar erlegt seine Beute aus dem Hinterhalt und beißt in den Kopf. Seine Bisskraft ist innerhalb der Katzen unübertroffen. So sind selbst Tiere, die größer sind, potentielle Beute. Meist stehen Capybaras (südamerikanische Wasserschweine) oder Kaimane auf dem Speiseplan. Allerdings sind auch Tiere im Wasser nicht vor ihm sicher. Der Jaguar ist aufgrund seiner kräftigen Beine ein hervorragender Schwimmer. So erlegt er auch Riesenotter, oder Capybaras, die sich im Wasser in Sicherheit wiegen.


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Der Jaguar fühlt sich auch im Wasser wohl

Wir entdecken noch unzählige weitere Jaguare bei unserer Bootstour. Irgendwann hören wir auf, sie zu zählen. Damit haben wir beim besten Willen nicht gerechnet. Auf Bäumen, am Ufer, im Fluss, alleine, zu zweit oder sogar zu dritt - wir sind total begeistert. Und alles auf einem Gebiet, das relativ klein ist. Wir bewegen uns im Radius von wenigen Minuten Bootsfahrt. Das wirft natürlich schon Fragen auf. Warum sind auf dem vergleichsweise engen Raum so viele Jaguare, wo sie doch (mit Ausnahme der Paarung) Einzelgänger sind, mit einem Revier von 80 bis 110 km². Man könnte vermuten, dass die Tiere angefüttert werden, wissen tun wir es nicht. Manche Einheimische haben allerdings "schon mal davon gehört", auch wenn sie es selbst nicht tun. Fakt ist, dass der Jaguartourismus ein Riesengeschäft ist. Unzählige Tourenanbieter bringen Touristen ins Pantanal, egal ob per Bus, Flusskreuzfahrt oder sogar Kleinflugzeug. Da ist richtig viel Geld zu machen. Verdienen tun dabei allerdings nur wenige, 97% der Einnahmen gehen an ca. 3% der Bevölkerung. Nun ja, so ist es nun mal. Andererseits werden die Jaguare durch den Tourismus natürlich auch geschützt und erhalten. Sie dürfen in dem Gebiet um Porto Jofre nicht gejagt werden. Leider kommt es immer noch vor, dass die Bauern, die entlang der Transpantaneira ihre Landwirtschaft haben, Jaguare schießen. Und das, obwohl sie im seltenen Fall, dass eine Kuh oder anderes Nutzvieh gerissen wird, eine Kompensation vom Staat bekommen. Die Landwirte verdienen eben nicht am Tourismus - ganz im Gegenteil, sie fühlen sich von den Veranstaltern, die die Straße mitbenutzen, gestört. Ein zweischneidiges Schwert.



Die Gleichung erscheint im ersten Moment so einfach, laut dem Biologen Fernando Tortato bemisst sich der Wert einer Kuh auf 2.000 USD, dagegen wurde der Wert eines lebendigen Jaguars auf 108.000 USD ermittelt (im Jahr wohlgemerkt). Wäre es da nicht sinnvoll auf Tourismus umzusatteln? Leider ist das Bildungsniveau unter den meisten Bauern zu gering und das Verständnis vom Tourismusgeschäft schlichtweg nicht existent. So bleibt es wohl dabei, dass einige wenige sich die Taschen füllen.


Unser Bootsfahrer Beto legt sich auf jedem Fall mächtig ins Zeug für uns. Wir jagen bis kurz vor Sonnenuntergang Jaguaren hinterher, mit nur einer kurzen Pause zur Mittagszeit an einem schattigen Flussufer. Apropos ins Zeug legen, die Bootsfahrer sind teilweise ganz schön aggressiv, um für ihre Kunden den besten Platz für die Jaguarbeobachtung zu ergattern und rammen schon mal das Nachbarboot. So kam es vor, dass ein Boot umgekippt ist, und 10 Kameras im Fluss gelandet sind. Bei der Ausrüstung - schnell mal knapp 100.000 Euro im Wasser versenkt. Ob das wohl die Haftpflichtversicherung des Bootsfahrers abdeckt?


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Jaguar auf einem Baum am Flussufer



Allerdings sind nicht nur Jaguare vor unserer Linse, wir sehen auch Riesenotter, unzählige Kaimane und süße Capybaras am Ufer. Und letztendlich entdecken wir sogar noch Kapuzineraffen, die frech auf den Bäumen turnen. Sie haben eine ganz wichtige Rolle im Ökosystem, da ihre Essabfälle im Fluss landen, und so Futter für die Dourados, auch Südamerikanischer Lachssalmler genannt, sind. Ganz nebenbei verteilen die Affen auch noch eine Menge Samen. Wir haben neben Kapuzineraffen auch die deutlich größeren Brüllaffen gesehen, die im Pantanal heimisch sind.


Brüllaffen auf den Bäumen am Rio Sao Lourenço Porto Jofre Pantanal Brasilien Jaguar Safari Highlight Tour
Brüllaffen auf den Bäumen am Rio Sao Lourenço


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Sonnenuntergang auf dem Rio Sao Lourenço

Alles in allem ein tolles Erlebnis. Ich kann inzwischen verstehen, dass viele Touristen wieder kommen. Und auch wir überlegen, ob wir nächstes Jahr von Bolivien aus nochmal einen Abstecher machen. Dann ist im Pantanal gerade Ende der Regenzeit, eine komplett andere Welt. Und wahrscheinlich nicht minder spannend.


Zu guter Letzt, noch ein paar Missgeschicke. Was passiert, wenn man...


... die Mülltüte aus Versehen draußen liegen lässt. Das Bild sagt alles :-)



... auf dem Weg zum Abspülen keine Taschenlampe mitnimmt? Ich bin tatsächlich im Campingplatz fast auf einen Kaiman getreten. Er hat sich allerdings mindestens genauso erschreckt wie ich. Auch wenn Menschen keine potentielle Beute sind, so ist die Bisskraft der kleinen Alligatoren doch nicht ohne.


... als Beifahrer auf maroden Holzbrücken aussteigt? Micha wollte mich - rückwärts laufend - auf die beste bzw. einzige Fahrspur auf der Brücke weisen. Und auf einmal, war er weg. Ich hab ihn von der Fahrerkabine nicht mehr gesehen. Schwupps. Eingebrochen bei ein paar löchrigen Holzlatten, unter ihm Schlamm und Kaimane. Glücklicherweise ist nicht allzu viel passiert. Nur ein paar schmerzhafte Schürfwunden und viele Spreißel in den Händen. Die hab ich ihm dann in einer Notoperation direkt am Straßenrand entfernt. Der Arme!



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