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  • Writer's pictureMarion Marquardt

Der Huemul Circuit, legendäres Trekking in El Chaltén - Nach 2 Monaten Patagonien unser Highlight

Zwischen Eis und Granit - anspruchsvolles 4-tägiges Trekking um den Cerro Huemul
Flussquerungen mit Seilrutschen, Gletscherpassagen und ausgesetztes Gelände – Spaß und Thrill garantiert
Atemberaubende Blicke vom Paso del Viento – das patagonische Eisfeld vor unseren Füßen
Zu Fuß entlang der Zunge des Viedma Gletschers - stundenlang blaues Eis weit und breit

Wir sind noch immer in El Chaltén. Nach den klassischen Must-Sees haben wir uns noch einen kleinen Geheimtipp vorgenommen – den Huemul Trek. Von so vielen Personen haben wir diesen Tipp bekommen, dass wir uns das 4-tägige Trekking auf keinen Fall entgehen lassen können. Es warten einige Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen. Zwei Flussquerungen mit sog. Tirolesas (also Seilrutschen), lange Tagesetappen, wildes Gelände und Steilpassagen. Dazu kommt, wie immer in Patagonien, das unberechenbare, schnell wechselnde Wetter sowie starke Winde. Vor allen für die zweite und dritte Etappe wird gutes Wetter empfohlen. Wir haben das perfekte Wetterfenster für uns gefunden. Es scheint die gesamte Woche so gut wie keinen Niederschlag und wenig Wind zu geben; das heißt max. 20 km/h mit Böen bis zu 40 km/h. So ist die Prognose… Die dient hier vor allem für das gute Gefühl, informiert zu sein.

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Fitz Roy nach Sonnenuntergang vor unserem Aufbruch

Auch hier gibt es keine Infrastruktur auf dem Trek – gottseidank. Zusätzlich zur Verpflegung für 4 Tage, haben wir in unseren Rucksäcken Klettergurte und Karabiner für die Seilrutschen. Dennoch, ein verhältnismäßig leichtes Gepäck. Bei schönstem Wetter laufen wir los. In Shorts, wohlgemerkt. In Patagonien ist inzwischen Sommer. Und an windstillen, sonnigen Tagen kann es sich auch wie Sommer anfühlen. Die erste Etappe führt uns von El Chaltén in Richtung Laguna Toro. Wir durchqueren das sattgrüne Tal des Rio Túnel nördlich des Cerro Huemul. Angeblich gibt es hier auch den Huemul, den Südandenhirsch, nach dem der Berg benannt ist. Wir sehen leider keinen… Überall sind Büsche mit sogenannten Calafate Beeren, die schön langsam reifen. Ein sehr idyllischer Anblick. Nirgendwo ist das Grün satter als in Patagonien, finde ich. Schon nach knappen 5 Stunden erreichen wir unser Etappenziel, deutlich schneller als ausgeschrieben. Die Strecke war relativ einfach - kaum Steigung, einfaches Gelände. Das Camp liegt windgeschützt im Wald. Es sind nur wenige Personen dort, obwohl wir relativ spät ankommen. Und vermutlich machen nicht einmal alle von ihnen die Huemul Umrundung. Die Laguna Toro ist auch an sich ein beliebtes Ziel für Wanderer.


Laguna Toro Huemul Circuit El Chalten Wandern Hike
Auf dem Weg zur Laguna Toro

Am nächsten Tag machen wir uns etwas früher auf. Eine anspruchsvolle und lange Etappe liegt vor uns. Zunächst geht es in Richtung Laguna Toro. Schon kurz darauf steht die erste Flussquerung an. Man hat die Wahl, entweder hüfttief, Rucksack über dem Kopf tragend, durch den Gletscherfluss zu waten oder die Tirolesa zu nutzen. Wir wollen keine nassen Füße bekommen und haben extra dafür einen Teil unserer Kletterausrüstung dabei. Also, Klettergurt an und ab zur Seilrutsche. Der Fluss sieht ziemlich reißend aus. Zudem sind es ein paar Meter hinunter in die Schlucht. Hineinfallen sollte man da nicht.


Inzwischen sind ein paar Wanderer aus unserer Richtung angekommen und warten hinter uns an der Tirolesa. Micha geht voran. Am anderen Ende scheint er Probleme zu haben, sich das letzte Stück an Land zu ziehen. Woran es liegt, weiß ich nicht. Eine Kommunikation ist bei dem lauten Rauschen des Flusses unmöglich. Es sieht so aus, als ob das Sicherungsseil zu straff ist, um sich aus der Seilrutsche auszuklinken. Einige Minuten vergehen, in denen sich Micha mit purer Armkraft festhält. Ich hätte nicht durchgehalten. Irgendwann bemerken wir auf der anderen Seite, dass sich das Zugseil für den Schlitten auf unserer Seite verhakt hat und Micha deswegen nicht vom Fleck kommt. Oh shit. Naja, bis auf ein paar Brandblasen an den Händen und etwas Muskelkater in den Armen ist nichts passiert. Micha ist nicht gerade amüsiert. Das Los des First Movers - bei mir klappt die Traverse reibungslos. Ich muss zugeben, selbst ohne Gegenzug erfordert die zweite Hälfte schon einiges an Armkraft, vor allem mit dem riesigen Rucksack auf dem Rücken. Dennoch, eine spaßige Auflockerung auf einer Wanderung (zumindest für mich :-)).


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Marion auf dem Weg über die Schlucht

Jetzt geht es hinauf in Richtung Túnel Gletscher. Wir laufen entlang der Moräne, parallel zum Eisrand, und genießen atemberaubende Blicke auf die Eismasse. Der Weg über den losen Schotter ist recht mühsam, die Wegfindung nicht ganz einfach, aber die Landschaft entlohnt dafür. Jetzt geht es hinauf zum Paso del Viento. Knapp 600 Höhenmeter warten auf uns. Der erste Teil des Weges ist verschüttet, ein Steinschlag hat den Pfad unkenntlich gemacht. Wir können nur vermuten, wo es hinauf geht und krackseln direttissima über Geröll nach oben. Nicht ganz einfach, bei dem recht losen Gelände mit großem Gepäck auf dem Rücken. Wir sind echt froh, als wir nach etwa 250 Höhenmetern wieder einen Pfad finden, der nur noch mit mäßiger Steigung aufwärts führt. Die Ausblicke werden immer besser. Wir sehen die gesamten Ausmaße des Túnel Gletschers, eingebettet in atemberaubenden Bergketten. In der Ferne der Fitz Roy. Das Wetter könnte nicht besser sein. Strahlender Sonnenschein und nur leichter Wind. Es fühlt sich gar nicht nach Patagonien an. Allerdings nur, bis wir auf dem Pass sind… Der Blick ist im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, Inlandeis und Wind geben sich die Hand. Wir sind hin und weg! Auch wenn es nicht gerade angenehm ist, verbringen wir etwa eine Stunde mit Staunen und Fotografieren.



Es ist schon 18 Uhr. Die Etappe hat uns deutlich mehr Zeit als geplant gekostet. Schwierige Wegfindung, unwegsames Gelände, gepaart mit so vielen tollen Fotomotiven haben ihren Tribut gefordert. Schließlich machen wir uns zum Tagesendspurt auf. Das Camp liegt etwa 500 Meter unterhalb des Passes. Wir steigen mit stetigem Blick auf das schier endlose Eisfeld ab. Als wir etwas an Höhe verlieren, schwächt auch der Wind ab und wir haben fast sommerliche Temperaturen. Das Gelände ist einfach, das sanfte Moos sehr angenehm für die etwas geschundenen Gelenke. Nach etwa 2 Stunden erreichen wir den Campingplatz, der idyllisch an einer kleinen Lagune liegt. Wir haben so Hunger und sind froh, dass wir ein Dreigänge Menü eingepackt haben: Zwiebelsuppe als Vorspeise, Pasta mit Tomatensoße und als Dessert eine Tafel Schokolade! Wohlverdient, würde ich sagen. Wir schlafen gut.



Sichtlich erledigt bei der Zubereitung des Abendessens

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Ein letztes Bild vom Gletscher und dann gehts ab ins Zelt

Am kommenden Tag erwartet uns eine weitere schwierige Etappe über den steilen Paso del Huemul. Zunächst geht es morgens aber gemütlich los. Die ersten 12 Kilometer wandern wir entlang des Viedma Gletschers, kaum Höhenmeter sind zu bewältigen. Erst kurz vor dem Pass führt der Weg steil bergauf. Der Wind nimmt wieder zu. Auch wenn wir laut Wettervorhersage fast windstille Tage haben, pfeifen uns immer wieder kräftige Böen um die Ohren. Uns schiebt es fast den Pass hinauf. So einfach haben sich Höhenmeter selten angefühlt. Mit einem letzten Blick hinter uns verabschieden wir uns vom Eisfeld, das uns den ganzen Tag begleitet hat. Immer wieder bin ich gespannt, was mich für Blicke nach einem Pass erwarten.



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....ein letzter Blick auf das Eisfeld

Vor uns liegt der Viedma See, ein 1600 m² großer Gletschersee. Die Ausmaße sind unglaublich. Im Sonnenlicht leuchtet er türkisgrün, überall schwimmen Eisschollen, die der gleichnamigen Gletscher kalbt. Dort unten liegt auch unser Camp. Bis dahin ist es allerdings noch ein mühsamer Weg. Wir müssen etwa 800 Höhenmeter steil nach unten. Das Gelände ist mehr als unangenehm. Ziemlich rutschig geht es über loses Geröll und Sand nach unten. Gut, dass immer wieder Bäume und Wurzeln zum Festhalten da sind. Ab und zu ist ein Seil angebracht. Alles in allem dennoch gut machbar. Wir hatten Schwierigeres erwartet. Die Steigung ist in etwa mit dem Paso Virginia auf dem Dientes de Navarino Trek (>>> siehe unser Blog) zu vergleichen, aber weitaus weniger gefährlich. Im blödesten Fall rutscht man in den nächsten Strauch mit Dornen, Absturzgefahr besteht hier eigentlich nicht. Trotzdem sind wir froh, unten zu sein.



Am Camp in der Bahía de los Tempanos hat es leider vor kurzem gebrannt, so dass wir weitere 3 Kilometer zum nächsten Übernachtungsplatz vor uns haben. Ein glimmender Zigarettenstummel hat hier ein Feuer verursacht, mehrere Tage standen einige Quadratkilometer in Flammen. Der stetige Wind und wenig Niederschlag hat es nicht einfach gemacht, den Brand zu löschen. Wir sehen die Spuren. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Natur davon erholt. Am Camp Bahía Cabo de Hornos allerdings ist die Welt in Ordnung und das Gras grün. Der Übernachtungsplatz liegt idyllisch am Viedma See. In der Abendsonne werden die Eisschollen magisch angestrahlt und das grüne Moos leuchtet in den schönsten Farben. Ich kann mich nur noch einmal wiederholen… nirgends ist das Grün so schön wie in Patagonien.

Bahía de los Tempanos Huemul Circuit
Blick auf die Bahía de los Tempanos

Wir verbringen eine lauwarme Nacht in unserem Zelt und brechen morgens auf die letzte Etappe auf. Die größten Schwierigkeiten sind gemeistert. Vor uns liegen etwa 20 Kilometer Strecke, allerdings auf einfachem Gelände mit kaum nennenswerten Steigungen. Wir laufen meist entlang des Seeufers, über sanfte Hügel, bis wir mittags kurz vor der Bahia Túnel an den gleichnamigen Fluss gelangen. Hier steht eine weitere Querung mittels einer Tirolesa an. Ein Durchwaten ist zu der Jahreszeit unmöglich. Der Fluss ist etwa 25 Meter breit und hat eine reißende Strömung. Aber kein Problem, wir sind ja ausgerüstet. Leider ist der Schlitten auf der anderen Seite der Seilrutsche, und nicht mit einem Seil von unserer Seite verbunden. Der Erste wird es schwer haben und die Traverse mit dem Karabiner direkt am Stahlseil machen müssen. Glücklicherweise ist ein ambitionierter, junger Israeli mit uns am Flussufer angelangt; wir überlassen ihm großzügig den Vortritt. Micha hat noch immer offene Wunden an den Händen von seiner ersten Querung und ich habe Bedenken, ob meine Armkraft ausreicht. Gut, dass wir unsere Angelschnur dabei haben, so ziehen wir den Schlitten im Teamwork auf die andere Seite und können es uns deutlich einfacher machen. Und jetzt, beim zweiten Mal, macht die Seilrutsche richtig Spaß.


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letzte Hindernisse werden überwunden...

Irgendwie habe ich jetzt schon den Endspurt im Kopf… nur noch 5 Kilometer nach El Chaltén hieß es im Wanderführer. Alternativ beginnt hier eine Schotterstraße und damit die Chance auf eine Mitfahrgelegenheit. Meine heimliche Hoffnung. Leider ist weit und breit kein Mensch mit Fahrzeug. Naja, dann laufen wir halt weiter. Die Gedanken kreisen um Cappuccino und Kuchen, Dusche, Burger, Rotwein und wieder von vorne. Es zieht sich endlos. Gerade kann ich der Landschaft auch nichts mehr abgewinnen. Zudem haben wir extremen Gegenwind, der es echt unangenehm macht. Unser Proviant ist aus, die Wasserblasen leer. Ich bin fertig. Die Strecke nimmt kein Ende. Im Nachhinein erfahren wir, dass es auch eher 9 Kilometer waren. So hat es sich angefühlt. Aber irgendwann ist es geschafft. Und das heroische Gefühl bei der Ankunft, wenn man den Rucksack ablegt, wiegt einiges auf. Jetzt ist es Zeit, Träume wahr werden zu lassen und wir gönnen uns erstmal ein großes Stück Kuchen, später einen Burger. Die nächsten Tage lassen wir es ruhig angehen. El Chaltén ist ein echt nettes Städtchen mit coolem Flair für Outdoorliebhaber. Wir schließen nicht aus, dass wir zurückkommen. Ein paar weitere Wanderungen reizen uns und es gibt unzählige Kletterrouten. Zunächst geht es allerdings wieder zurück nach Puerto Natales, wo wir einige Sachen geplant haben, unter anderem den Aufenthalt auf der Estancia Mercedes für ein Foto-/ Videoprojekt.


Und wie schneidet El Chaltén im Vergleich zum weltberühmten Torres del Paine Nationalpark ab? Nun ja, für uns können die Highlights rund um den argentinischen 2.000 Einwohner-Ort locker mit denen im chilenischen Nationalpark mithalten. Die markanten Berggipfel des Fitz Roy und Cerro Torre, kombiniert mit den Highlights des Huemul Trek, sind landschaftlich mindestens genauso beeindruckend. Hinzu kommt, dass El Chaltén nicht ganz so überlaufen ist, wie der Torres del Paine Nationalpark. Vermutlich liegt das auch an der Vermarktung durch die Chilenen. Das argentinische El Chaltén nennt sich zwar Trekkinghauptstadt des Landes, ist aber sehr bodenständig. Das spiegelt sich auch in den Preisen wieder. Alle Zeltplätze auf den Trekkings sind kostenfrei. Im Torres del Paine hingegen ist man i.d.R. mit 50 USD für einen Campingplatz dabei, zudem kommt noch der Eintritt für den Nationalpark. Und das sind nur die Mindestkosten. Wie in unserem >>> Torres del Paine Blog beschrieben, gibt es alle möglichen Komfortstufen, wie Portadores, Rifugios, Verpflegung, die die Ausgaben potenzieren. Für uns fühlt sich El Chaltén in Summe etwas sympathischer und authentischer an und muss sich nicht hinter dem Torres del Paine Nationalpark verstecken. Dennoch waren beide Aufenthalte grandios.


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